Milieus von links und rechts, mit Oben, Mitte und Unten, mit gläsernen Decken oder Durchlässigkeit, Aufstieg oder Abstieg, Emanzipation, konservativem Beharren oder Multikulti – seit Jahrzehnten ist die Beschäftigung mit gesellschaftlichen Milieus ein wichtiges Thema für Soziologen, Politiker, in der Wirtschaft und den Medien: für Zielgruppenwerbung, Wahlprognosen, Reichweitenforschung, Bildungs- und Integrationsprogramme für Randgruppen oder Minderheiten, Zukunftsprognosen für das Funktionieren der repräsentativen Demokratie.

Doch wie sieht es wirklich aus in den Milieus, wie leben die Menschen in ihren „Gesellschaften“. In Deutschland und Frankreich verändern sich die Milieus heute rasant, werden widersprüchlicher, sprunghafter und weniger fassbar – auch für die Soziologie und Politik. An den Rändern und zunehmend auch in der Mitte sind die Menschen wütend geworden und radikalisierter als noch vor 20 Jahren. Es entstehen neue Milieus, rechts wie links, oben und unten, auch digital. Der Wandel zu einer neuen globaldenkenden bürgerlichen Mitte auf der einen Seite und einer immer stärker ausschließenden Klassengesellschaft mit neuen gläsernen Wänden auf der anderen Seite zeichnet sich ab, nicht zuletzt durch den Sog von Social Media angefacht.

Eine neue Elite der Gebildeten und Einkommensstarken präsentiert nahezu perfekt das Leitmodell der globalvernetzten Leistungs- und Risikogesellschaft. Sie sind die Gewinner. Während sich die Angst vor dem Abgehängtsein und Abstieg in der „alten“ Mittelschicht, einst sichere Bastion der bürgerlichen Mitte, breit macht. Sie sind die Verlierer. Der Spalt wird tiefer, Menschen in allen Milieus sind moralischer geworden in ihren Ansichten, von sich selbst und von anderen – und damit weniger tolerant, als es eine vor allem durch Gemeinsinn funktionierende demokratische Gesellschaft braucht.

Das Bild der Spaltung unserer Gesellschaft ist nicht erst seit Covid19 vor aller Augen. Die Fragen, was künftig die Gemeinschaft zusammenhält oder spaltet, wer Freund und Feind, Gut und Böse sind, werden nicht mehr (nur) politisch entschieden, sondern zunehmend auch in der Kultur. Jedenfalls wird es – viele Menschen fühlen es so – immer unübersichtlicher in der Welt und statt Ratio sind Moral und Gesinnung die neuen Messlatten der Gemeinschaft. Statt Zuversicht herrscht Ungewissheit.

Der 2-teilige Dokumentarfilm MILIEU – Krieg und Frieden in der Kultur zeigt nicht nur die Gegenwart. Er wirft auch mit seltenem S/W-Filmmaterial aus den Anfängen des Dokumentarfilms und des Kinos einen Blick zurück bis in die Welt des 19. Jh., als mit der Industrialisierung unsere moderne Welt und der Individualismus beginnt. Geschildert werden die Ursprungs-Milieus der Moderne in Deutschland und Frankreich, Bourgeoisie, Bürgertum, Gründerzeit und Arbeiterklasse, Bohème, Landbesitzer und Knechte, Luxuswelt und Elendsmilieus in der Zeit von Émil Zola, Charles Dickens und Karl Marx. Extreme und Widersprüche in der Klassengesellschaft und die Werte-Codexe der Milieus werden sichtbar, die uns bis heute – trotz Globalisierung und Digitalisierung – selbst in der Spätmoderne noch immer begleiten und prägen.

MILIEU I KRIEG UND FRIEDEN IN DER KULTUR
Dokumentarfilm 2 x 52min für RB / SWR / ARTE

In Entwicklung

Credits
Buch Wilfried Hauke, Nadia Wolf
Bildrecherche Anna Drum
Produktionsleitung Fabian Preuss
Redaktion Nadine Niemann, Mechtild Lehning RB, Bernd Seidl SWR, Ulla Hocker, ARTE Deutschland

Produktion

IDA Film & TV Produktion

Poster